Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Drehbuch: Jan Berger

Lena (Karoline Herfurth) wird von der Anführerin (Nina Hoss) eines weiblichen Vampir-Trios gebissen. Erst wird sie ein Teil der Gruppe und zieht mit ihnen des Nachts durch die Straßen – immer auf der Suche nach frischem Blut. Da sie die blutige Jagd überfordert, verlässt sie die Gruppe, um Heil in der Liebe zu einem Undercover-Polizisten (Max Riemelt) zu finden. Doch ihre Vampirkolleginnen sind darüber ganz und gar nicht glücklich…
Quelle: https://www.filmstarts.de/kritiken/175987.html

DE · 2010 · Laufzeit 100 Minuten · FSK 16 · Fantasyfilm, Drama, Horrorfilm · Kinostart 28.10.2010

Drehbuch: Jan Berger
Regie: Dennis Gansel
Bildgestaltung: Torsten Breuer
Produktion: Rat Pack Filmproduktion
Verleih: Constantin Film

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Vampirfilm „Wir sind die Nacht“Berlinerinnen im Blutrausch

Hübscher Horror in der Hauptstadt: Eine Clique extravaganter Vampirinnen zieht durch Berlins Partyszene – die Chefin sucht lesbische Liebe mit einer Sterblichen. Der Beißer-Schocker „Wir sind die Nacht“ beweist, dass heimische Filmemacher gruseln können.

Sie sind schön, reich, unsterblich. Ihre männlichen Artgenossen haben sie umgebracht. Wenn sie mit sterblichen Gespielen im Bett liegen, stört sie vor allem eines: „Menschen gehen so schrecklich schnell kaputt.“

Als Vampirin lebt es sich halt entspannter, wenn es keine vorlauten Kerle gibt.

Drei coole Vampir-Chicks ziehen in Dennis Gansels Film „Wir sind die Nacht“ feiernd und mordend durch Berlin, dass das Blut nur so tropft. Clanchefin Louise (Nina Hoss) sucht dabei etwas Dauerhaftes für die Vampirewigkeit – eine Partnerin. Denn so begeistert sie ihre Emanzipation auch feiert („Seit über 200 Jahren sagt mir kein Mann, ob sterblich oder unsterblich, was ich zu tun habe“), so sehr ist sie doch Gefangene ihrer Sehnsucht nach einer Seelenverwandten. Untersterblichkeit hilft da nicht, im Gegenteil, sie macht die Einsamkeit ja nur schlimmer.

Louise verguckt sich in das kriminelle Problemkid Lena (Karoline Herfurth). Sie will sie in ihre exklusive Gemeinschaft der Blutsaugerinnen von Berlin-Mitte aufnehmen. Dumm nur, dass Lena auch von dem jungen, etwas naiven Polizisten Tom (Max Riemelt) angeschmachtet wird. Dieser jagt im Diensteinsatz erst erfolglos Lena hinterher, dann soll er einen blutigen Doppelmord aufklären, hinter dem die Vampirinnen stecken. Nach drei schmerzhaft-rohen Actionszenen muss sich die Umworbene schließlich entscheiden: bodenständiger Cop mit Dackelblick? Oder doch die extravagante Blutsaugerin im Designer-Fummel?

Das ist er also, der erste deutsche Beitrag zur Renaissance des Vampirfilms. Ein Dreieck-Liebesdrama, angesiedelt im Milieu der Berliner Party-People. Helene Hegemann meets Bram Stoker. Wobei den Vampiren Möglichkeiten offen stehen, von denen normalsterbliche Hedonisten nur träumen. „Wir sind die Nacht“ hastet rauschhaft durch Clubs und luxuriöse Hotelzimmer. Erst nachher fällt auf, dass die Geschichte geradlinig ohne größere Überraschungen abgewickelt wird. Und dass eine recht simple Moral am Ende steht.

Bemerkenswert souveräner Genre-Film

Glücklicherweise geht es im Gegensatz zu den drei Teilen der moralinsauren Teenie-Schmonzette „Twilight“ für fast alle Beteiligten lustvoller zur Sache: wenig Mystery-Gefasel, mehr Handlung, mehr Blut, mehr Boshaftigkeit, dazu ein paar sorgsam gesetzte Gags mit Hang zur Selbstironie. Da scheint als Vorbild dann doch eher die bluttriefende Slasher-Trilogie „Blade“ auf. Nur eines fehlt – das Fleischliche. Während der Verzicht auf Sex bei „Twilight“ ja moralisches Prinzip ist, werden die eigentlich logischen Lustorgien bei „Wir sind die Nacht“ verschämt ausgespart.

Regisseur Gansel hat mit dem Polit-Thriller „Das Phantom“ (1999) und einer Neuauflage des fiktiven Faschismus-Experiments „Die Welle“ (2008) gezeigt, dass er düstere Stoffe und sperrige Themen flüssig und mit einer Extraportion Ästhetik inszenieren kann. Bei „Wir sind die Nacht“ kommt eine hervorragende Besetzung hinzu – Karoline Herfurth („Das Parfum“, „Im Winter ein Jahr“). Sie gibt die Lena, deren geschundenes Gesicht in der ersten Hälfte des Films eine bunte Mischung aus schwarz, gelb, blau und rot ist und die dann eine Wandlung vom Crashkid zur elfengleichen Schönheit durchmacht, ohne einen Jota ihrer Trotzigkeit einzubüßen.

Die großartige Nina Hoss („Wolfsburg“, „Das Herz ist ein dunkler Wald“) führt ihre Vampir-Top-Models mit kühler Autorität an. Die todtraurige Charlotte (Jennifer Ulrich, „Die Welle“) und die aufgedrehte Techno-Göre Nora (Anna Fischer, „Masserberg“). Max Riemelt als Polizist macht einfach da weiter, wo er in Dominik Grafs Krimiserie „Im Angesicht des Verbrechens“ aufgehört hat. Eine Berliner Polizeiwache zu betreten und nicht ihn dort anzutreffen, muss irritierend sein.

Bemerkenswert souverän setzt „Wir sind die Nacht“ die Genreregeln um und kann sogar einige Hollywood-taugliche Actionszenen vorweisen. Kürzlich hatte schon der deutsche Zombiefilm „Rammbock“ eine ähnliche Professionalität an den Tag gelegt. Was bedeutet: Genrefilme aus Deutschland – das kann gutgehen.

Gansel wird mit „Wir sind die Nacht“ das wieder erwachte Genre zwar nicht revolutionieren, dafür ist er zu spät dran. Aber solange man gut unterhalten wird, muss das ja gar nicht sein.