Watu Wote

Watu Wote - All of us

Buch & Filmeditor: Julia Drache

Der Film erzählt die Geschichte aus der Perspektive einer jungen, allein reisenden Christin. Sie ist auf dem Weg in ihr Heimatdorf im Norden Kenias und fühlt sich als eine der wenigen Christen im Bus zuerst fremd unter den vielen Muslimen. Diese Gefühle, das Unbehagen, der Schrecken, die Panik und schließlich die Todesangst spiegeln sich in der Figur wider. Eine tief verschleierte Frau, die im Bus neben der Protagonistin sitzt, sowie zwei anfangs verdächtige Reisende entwickeln sich zu den wichtigsten und mutigsten Figuren des Films. Als islamistische Terroristen den Reisebus überfallen und die Insassen auffordern, sich aufzuteilen – Christen hier, Muslime dort – weigern sich die Fahrgäste jedoch. Ein Lehrer, selbst Muslim, der sich den Aggressoren entgegen stellt, wird angeschossen und stirbt später an seinen Verletzungen.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Watu_Wote_–_All_of_us

KE/DE · 2017 · Laufzeit 22 Minuten · Drama

Drehbuch: Julia Drache
Regie: Katja Benrath
Film Editing: Julia Drache
Produktion: Hamburg Media School

"[acfQuelle: Hamburg Media School

Preise

Auswahl

Student Academy Award ‧ Gold, Narrative, International Film Schools
First Steps Award ‧ Bester Kurzfilm & No Fear Award für Nachwuchsproduzenten
Sehsüchte International Student Film Festival ‧ Beste Produktion und Publikumspreis
Studio Hamburg Nachwuchspreis ‧ Bester Kurzfilm
Fünf Seen Filmfestival, Gilching ‧ Publikumspreis Kurzfilm
Durban International Film Festival, Südafrika ‧ Best African Short Film
20. Zanzibar International Film Festival ‧ Best East African Film
Brooklyn Film Festival, New York ‧ Best Narrative Short
Bermuda International Film Festival ‧ Best Short Film & Audience Award
Cameraimage International Film Festival ‧ Golden Tadpole & Best Cinematographer Student Etudes Competition
Ajyal Youth Film Festival, Katar ‧ Best Short Film
FILMZ Festival des deutschen Kinos, Mainz ‧ 1. Preis Kurzfilme Mittellange Filme
Kinofest Lünen ‧ 1. Preis Kurzfilme
Flensburger Kurzfilmtage ‧ Publikumspreis
Reggio Film Festival, Italien ‧ USAC Jury Award
International Student Film Festival of Beijing Film Academy, China ‧ Gold Award
Cinema Shorts Fest, South Dakota ‧ Audience Award
Toronto Shorts International Film Festival, Kanada ‧ Grand Prize & Best Foreign Film
Port Townsend Film Festival, USA ‧ Best Narrative Short
DC Shorts Film Festival ‧ Audience Favorite Award
International Best of Short Films Festival, LA CIOTAT, Frankreich ‧ Audience Award
International Short Film Festival of Cyprus ‧ Best Director Award
Hagener Kurzfilmfestival ‧ 2. Platz und Publikumspreis
Kunstgriff Rolle ‧ Das Dithmarschener Kurzfilmfest ‧ 1. Jurypreis und 3. Publikumspreis
Alpinale Nenzing, Österreich ‧ Bester Kurzfilm (Hochschule), 2. Platz Publikumspreis
OpenEyes Filmfest, Marburg ‧ Publikumspreis
Shorts at Moonlight, Frankfurt ‧ Kurzfilmpreis
Wendland Shorts Kurzfilmfestival ‧ Publikumspreis und Produzentenpreis
Filmfest Eberswalde ‧ Publikumspreis
Arroios Film Festival, Lissabon, Portugal ‧ Bester Kurzfilm
Nordische Filmtage Lübeck ‧ Cine Star Preis
Leiden International Short Film Experience ‧ Audience Award
Giovani Registi Raccontano Festival ‧ School and Academy Award
Mind the Indie Film Festival, Plovdiv, Bulgarien ‧ Best Student Film
15th San Sebastian International Human Rights Film Festival ‧ Best Short Film

Kritiken

Auswahl

TAZ

Terror und Menschlichkeit

WAHRE BEGEBENHEIT Die Idee kam durch eine Zeitungsmeldung: Vier Absolventen der Hamburg Media School haben mit dem Kurzfilm „Watu Wote: All of us“ den Studio-Hamburg-Nachwuchspreis gewonnen – kein Zufall

WILFRIED HIPPEN

Wer zu Beginn nicht viel weiß über „Watu Wote: All of us“, der wird möglicherweise erst beim Abspann, wenn all die Namen genannt werden, realisieren, dass hinter diesem Kurzfilm ein deutsches Team steckt. Und dieser Effekt wäre ganz im Sinne von Regisseurin Katja Benrath, Drehbuchautorin Julia Drache, Produzent Tobias Rosen oder Kameramann Felix Striegel: In einem Statement zum Film bekundet Regisseurin Benrath, den MacherInnen sei die Gefahr, „eine Geschichte zu ‚kolonialisieren‘ sehr bewusst“ gewesen.

Überfall im Grenzgebiet

Es ist eine „wahre Geschichte“, die da möglichst authentisch erzählt werden sollte, und zugetragen hat sie sich am 21. November 2015 an der Grenze zwischen Kenia und Somalia: Islamistische Terroristen überfielen einen Reisebus und forderten die Insassen auf, sich aufzuteilen: Christen hier, Muslime dort. Aber die Fahrgäste weigerten sich; einen Lehrer, selbst Muslim, der sich den Aggressoren entgegen stellte, schossen diese an. Er starb später an seinen Verletzungen.

Der Film erzählt diese Geschichte aus der Perspektive einer jungen, allein reisenden Christin. Diese Figur ist erfunden, es hat sie bei dem echten Vorfall nicht gegeben. Drehbuchautorin Julia Drache aber hat sie stark an einige reale Beteiligte angelehnt, mit denen sie oder andere aus dem Filmteam gesprochen haben. Diese junge Frau also, gespielt von Adelyne Wairimu, ist auf dem Weg in ihr Heimatdorf und fühlt sich als eine der wenigen Christen zuerst fremd unter den vielen Muslimen – und während des Überfalls dann existenziell bedroht. Diese Gefühle, das Unbehagen, der Schrecken, Panik und schließlich Todesangst spiegeln sich intensiv und glaubwürdig auf dem Gesicht Wairimus wider. Eine tief verschleierte Frau, die im Bus neben der Protagonistin sitzt und sich zu einer der wichtigsten und mutigsten Figuren des Films entwickelt, sagt kein einziges Wort. Eine kurze Hasspredigt, mit der der Anführer der Terroristen die anderen zum Schießen anstachelt, ist dagegen authentisch und kam nach Gesprächen mit Zeugen zustande.

Man kann in jeder Einstellung das Bemühen der Filmemacher spüren, dieser als universell verstandenen Geschichte eines kollektiven Akts der Menschlichkeit gerecht zu werden. Die Kamera bleibt so nah wie möglich bei den Menschen. Alle Dialoge im Film sind auf Swahili, einer Sprache, die weder die Filmemacher verstehen noch ein nennenswerter Teil des hiesigen Publikums, aber es wird derart stark filmisch erzählt, dass nicht ständig lange Untertitel gelesen werden müssen.

Teamwork statt Geniegedöns

Ein Grund für die Qualität besteht wohl darin, dass „Watu Wote“ die Leistung eines Teams von Gleichberechtigten ist. Dies ist untypisch für Hochschul-Abschlussfilme, aber keine Besonderheit für die Arbeiten des Filmstudiengangs der Hamburg Media School (HMS); dort entstandene Abschlussfilme sind immerhin schon mit vier Studenten-Oscars prämiert worden. An der HMS gehört es zum Selbstverständnis, den Studierenden die Arbeit im Team beizubringen. Es gibt pro Jahrgang sechs Studierende in den Sparten Regie, Drehbuch, Kamera und Produktion. In zwei Regel-Studienjahren produzieren sie jeweils zu viert drei Kurzfilme – und nach einiger Zeit wissen die Beteiligten dann auch, mit welchen unter den Kommilitonen sie am besten können. So hat das Team von „Watu Wote“ schon zuvor zusammen einen Film gedreht. Und für die nun beginnende Zeit nach dem Studium plant Produzent Tobias Rosen schon das Langfilm-Debüt desselben Quartetts.

Angefangen ohne Drehbuch

Steht normalerweise das Drehbuch am Anfang einer Filmentwicklung, wurde es bei Watu Wote“ erst mitten in der Produktion geschrieben. Zuerst hatte sich das Team füreinander entschieden – und es gab den starken Wunsch, in Afrika zu drehen: Produzent Rosen ist selbst in Südafrika aufgewachsen. Es dauerte dann aber, bis man eine starke Geschichte gefunden hatte. Erst kurz vor Ende der „Stoffbörse“, bei der Filmideen eingereicht werden und über die Realisierung entschieden wird, erfuhr man von dem Überfall auf den Bus in Kenia. Das Team legte dann nur einen entsprechenden Zeitungsartikel vor – und bekam einen positiven Bescheid.

Die erste Recherchereise führte nach Kenia, wo die Hamburger etliche der damals an den Ereignissen Beteiligte trafen. Zusammen mit der örtlichen Produktionsfirma Lightbox Africa entwickelte man das Drehbuch. Bei der Besetzung der Rollen gab es dann noch ein Problem, denn während die Kenianer von Einheimischen verkörpert werden konnten, fanden sich für die somalischen Figuren zunächst keine Darsteller. Schließlich konnte Produzent Tobias Rosen zwei Somalis auftun, die es schon nach Hollywood geschafft und in dem Film „Captain Phillips“ sogar mit Tom Hanks gespielt hatten. Sie erklärten sich bereit– ohne Gage, nur für ihre Reisekosten.

Über das Drehen in Kenia erzählt Regisseurin Katja Benrath allerlei launige Geschichten: Wie es mal ein paar Tage lang kein Wasser gab, als man gerade in der Wüste zugange war. Oder wie bei Nachtaufnahmen der einzige verfügbare Stromgenerator ausfiel. Oder wie am letzten Tag des Drehs einer der Hauptdarsteller verhaftet wurde.

Erklärtermaßen am wichtigsten war den Filmemachern, dass auch die kenianischen Beteiligten mit dem Film zufrieden waren. Nach der Premiere, zu der etliche Darsteller nach Deutschland reisten, lief der Film auf diversen Festivals – etwa dem Brooklyn Film Festival oder dem Zanzibar International – und erhielt mehrere Preise. Vorläufiger Höhepunkt war jetzt am 20. Juni der Nachwuchspreis von Studio Hamburg, Kategorie Bester Kurzfilm. Und mit dem Studenten-Oscar könnte es ja auch noch was werden.

SZENE HAMBURG

Watu Wote: And the Oscar goes to … Hamburg

Kann man denn im Film erkennen, ob jemand wirklich Somali ist?
Felix Striegel: Ja, klar! Das ist ein riesiger Kontinent mit unglaublich vielen Ethnien und Stämmen, die sich vom Teint, von der Physiognomie her unterscheiden. Alleine in Kenia gibt es 42 verschiedene Stämme! Die Somali haben ganz andere Gesichtszüge und einen ganz anderen Teint. Man hätte nicht einfach irgendjemanden nehmen und ihm ein Kopftuch aufsetzen können. So etwas wollten wir nicht, das wäre auch rassistisch und menschenverachtend. Wir wollten nicht einfach Klischees bedienen.

Katja Benrath: Das war übrigens auch die größte Sorge der kenianischen Filmemacher, sie haben bei internationalen Filmproduktionen sehr schlechte Erfahrungen gemacht.

Ist es nicht merkwürdig, in einer Sprache zu drehen, die man nicht versteht?
Katja Benrath: Die paar Sätze, die im Film vorkommen, kann ich inzwischen. Julia hat das Drehbuch auf Englisch geschrieben, und wir haben es übersetzen lassen. Ich habe dann sehr eng mit der Casterin zusammen- gearbeitet, die beurteilen konnte, ob das authentisch klingt. Ich fand es eigentlich nicht so problematisch. Die Kommunikation im Team war immer auf Englisch.

Das klingt jetzt alles so unkompliziert. So einfach war es aber nicht, oder? Felix, wurde dir nicht zum Beispiel die Kamera geklaut? 
Felix Striegel: Ja, genau. Das war natürlich ein Schock. Glücklicher- weise war das noch kurz vor dem Dreh, sodass wir noch Ersatz besorgen konnten. Wäre das später passiert, hätte es wohl das Aus für den Film bedeutet. Wir hatten ja 50 Komparsen und noch mal fast 50 Leute Team, wir hätten das nicht mehr verschieben oder die Drehorte ändern können. Es gibt eigentlich nichts, das bei diesem Dreh nicht passiert wäre. Der Hauptdarsteller war während des Drehs ja auch im Gefängnis.

Warum?
Julia Drache: Weil er ein Somali ist. Es war eine ganz ähnliche Razzia wie die, mit der wir in den Film einsteigen, bei der Somalis manchmal grundlos verhaftet werden, wenn sie keinen Ausweis dabeihaben.

Katja Benrath: Gerade weil die Somalis so verfolgt werden, war es für sie wirklich eine Frage des Muts, bei dem Film mitzumachen. Bei den Castings waren einige, die dabei sein wollten, aber ohne ihr Gesicht zu zeigen. Weil sie tatsächlich eine Gefahr witterten, wenn sie sich im Film so klar gegen Al-Shabaab positionieren.

Bislang gab es aber keine Repressalien?
Katja Benrath: Nein.

Dann reden wir von etwas Schönem. Ihr wart gerade beim Oscar-Lunch der Nominierten in L. A?
Katja Benrath: Unser Produzent Tobias Rosen und ich waren da.

Und du hast mit Meryl Streep gesprochen … 
Katja Benrath: Ja, ich habe kurz mit ihr die Kleiderfrage geklärt.

Ha! Gibt es wieder einen #MeToo- Dresscode?
Katja Benrath: Nein. Meryl Streep hat mir sinngemäß gesagt: Trag, was immer du tragen möchtest und mach den Mund auf, wenn es notwendig ist. Das fand ich sehr schön.

Was haltet ihr denn davon, wie diese Debatte verläuft? Ist das nicht langsam ein bisschen hysterisch?
Julia Drache: Allein die Tatsache, dass viele Frauen es offenbar über Jahrzehnte nicht gewagt haben, über sexuelle Belästigung bis hin zu Missbrauch zu sprechen, zeigt doch, dass diese Debatte längst überfällig war. Hysterisch finde ich daran gar nichts. Man muss natürlich darauf achten, dass alle Vorwürfe geprüft werden. Aber ich denke, dass es allein aufgrund der Debatte seltener bis zum Schlimmsten kommen wird. Und wenn doch, werden die Frauen viel wahrscheinlicher gleich aufstehen und den Mund aufmachen. Natürlich gibt es jetzt die armen Männer, die sagen, sie trauen sich gar nicht mehr, einer Frau ein Kompliment zu machen oder zu flirten. Aber denen sei gesagt: Wenn ihr irgendwelche Zweifel habt, dass euer Verhalten unangebracht ist, dann lasst es einfach gleich bleiben. (Die anderen beiden nicken)

Dann kommen wir zur wichtigsten Frage überhaupt: Was zieht ihr an? 
Felix Striegel: Ich werde von Thorsten Lewin aus dem Portugiesenviertel gesponsert. Von ihm bekomme ich einen sehr coolen Smoking.

Julia Drache: Ich war gerade in Ottensen bei Estomo, die schneidern mir ein Kleid.

Katja Benrath: Im Rahmen der Solidarisierung habe ich mich für ein schwarzes Outfit entschieden und werde von Kaviar Gauche Berlin ausgestattet.

Und was macht ihr mit dem Teil, wenn ihr es wirklich gewinnt? Wie viele davon bekommt ihr eigentlich? Einen? 
Katja Benrath: Leider kann man neben der Regie nur einen weiteren anmelden. Finde ich falsch, denn alle haben ihren Teil geleistet. Wir haben uns für den Produzenten entschieden. Wenn wir gewinnen sollten, geben wir vielleicht einen nach Kenia, und den anderen reichen wir wie einen Wanderpokal hier in Hamburg rum. Oder teilen ihn in vier Stücke …

Und wie geht’s jetzt weiter? Bleibt ihr vier zusammen? 
Katja Benrath: Wir haben gerade alle diverse eigene Projekte, planen aber, zusammen ein dänisches Jugendbuch zu verfilmen. Das wurde gerade in dieser Konstellation gefördert und Julia ist dabei, das Drehbuch zu schreiben.

Julia Drache: Ja, ich adap-tiere gerade den Roman „Pferd, Pferd, Tiger, Tiger“ von Mette Eike Neerlin. Es geht um ein Mädchen, das mit einem drogendealenden Vater, einer nicht so ganz zuverlässigen Mutter und einer geistig behinderten Schwester aufwächst. Sie ist die „Erwachsenste“ aus der Familie, kümmert sich liebevoll um jeden und vergisst dabei sich selbst. Als sie zufällig in einem Hospiz landet, freundet sie sich mit einem im Sterben liegenden Mann an und lernt durch ihn, mehr an sich zu denken und auch mal „Nein“ zu sagen. Klingt nach hartem Tobak, ist aber sehr, sehr rührend und vor allem auch lustig.

Text & Interview: Maike Schade

WESTALLGÄUER ZEITUNG

Damit die Welt ein bisschen besser wird

Karriere Schon als Schülerin wollte Julia Drache unbedingt zum Film. Die Lindauerin hat sich durchgeschlagen und zeigt
mit ihrer eigenen Lebensgeschichte, dass man sich nie unterkriegen lassen darf. Lohn für die Drehbuchautorin: ein Oscar

BETTINA BUHL

Lindau Ihr Feuer hat eine Frau mit flammend roten Haaren entfacht.
Als Julia Drache Tom Twykers „Lola rennt“ im Kino gesehen hatte,
wusste sie, was sie werden wollte:
Die Lindauerin wollte zum Film.
Das war vor mehr als 20 Jahren. Inzwischen hat sie es geschafft. Julia
Drache schrieb das Drehbuch zum Kurzfilm „Watu Wote – all of us“,
der in Hollywood mit dem „Student Acadamy Award“ ausgezeichnet
wurde, dem Oscar für Nachwuchsfilmer. „Vor ,Lola rennt’ wusste ich gar nicht, dass es gute, mutige, deutsche Filme gibt“, erzählt Julia Drache. An ihrer Arbeit reizt sie, „dass man die Welt ein kleines bisschen besser machen kann, indem man relevante Geschichten
in eine Form bringt, die eine einigermaßen große Reichweite
hat.“ Außerdem findet sie Geschichtenerzählen
„einfach traumhaft“. Aufgewachsen ist die heute 36-Jährige in Lindau, „im bunten Nationalitätengewirr einer Eisenbahnerwohnungssiedlung.“
Schon in der Schule machte sie Experimente mit Filmen, bewarb sich nach dem Abitur mehrmals an Filmhochschulen. Erfolglos. „Mangels Talents“ oder weil eine „ausreichende Begabung nicht festgestellt werden konnte“, gingen die Ablehnungsbescheide ein. „Das nervt. Aber diejenigen, die da über das Talent entscheiden,
sind bei näherer Betrachtung nicht unbedingt die, von denen
man überhaupt etwas lernen will“, sagt sie im Nachhinein.
Drache hat sich dann einfach durchgeschlagen im Filmgeschäft
und „so ziemlich jeden Hiwi-Job“ gemacht. „Nachträglich ein Segen“,
weiß sie heute, arbeitete sie doch mit Größen wie Doris Dörrie, Margarethe von Trotta oder Fatih Akin.
Aber: „Das Setleben ist ziemlich anstrengend und wild.“ Deswegen
wollte Drache nach dem Dreh in der Türkei zu Akins Werk „Auf der anderen Seite“ wieder zurück in den Schneideraum, wo sie als Praktikantin anfing. „Das war das bisher größte berufliche Geschenk, weil ich seither mit dem großartigen Andrew Bird arbeiten darf.“
Seit sechs Jahren arbeitet Drache mit dem preisgekrönten Filmeditor
zusammen, der unter anderem für den Schnitt von „Auf der anderen
Seite“ den Deutschen Filmpreis bekam.
„Von ihm hab ich nicht nur viel über Film gelernt, sondern auch, wie
man Ruhe und Haltung in schwierigen Situationen bewahrt.“ Mehrere Faktoren haben Julia Drache zum Drehbuchschreiben getrieben: Der Frust, wenn man im Schneideraum vor Problemen steht, die schon aus dem Drehbuch hätten ersichtlich werden können, die Geschichte, die schon seit ihrer Jugend in ihrem Kopf spukt, und der Fakt, dass die Arbeit als Editorin nicht gut mit Kindererziehung
zusammenpasst.
Als sie sich an der Hamburg Media School (HMS) für ein Filmhochschulstudium bewarb, war ihre erste Tochter fünf Jahre alt, mit der zweiten war sie schwanger. „Bei der Aufnahmeprüfung war ich ziemlich entspannt, weil mir klar war, dass ich ja eh nicht anfangen könnte zu studieren, wenn ich vier Wochen
nach Studienbeginn mein zweites Kind bekomme.“ Ihre Haltung hat
die Verantwortlichen an der Hochschule beeindruckt: „Das schaffen
Sie schon, wir helfen auch“, war die Reaktion. Geschafft hat Drache es tatsächlich. Das Baby war an der Hochschule einfach dabei. „Es gab niemanden aus dem Jahrgang, der meine Tochter nicht mal getragen oder geschoben hat.“ Der Oscar-prämierte Kurzfilm „Watu Wote“ war Julia Draches Abschlussarbeit. „Eine Karriere ist für eine Frau nach dem Kinderbekommen offensichtlich möglich“, sagt die 36-Jährige, die in Hamburg lebt. „Allerdings nur, wenn man die Hilfe annimmt, die es gibt.“
Schwere Themen mit einem zuversichtlichen, fröhlichen Unterton
ausstatten kann die Autorin gut. Das merkt man, wenn sie aus ihrem Leben erzählt. Die Projekte, an denen sie derzeit sitzt, sind allesamt Geschichten, die zu ihr passen: leicht, aber mit einem ernsten Tenor.