Nichts bereuen

Nichts bereuen

Buch & Regie: Hendrik Hölzemann

Daniel (Daniel Brühl) ist 19 und hat gerade sein Abitur gemacht. Er war noch nie mit einer Frau zusammen und ist langsam an der Schwelle zum Erwachsenwerden angekommen. Seit Jahren ist er in Luca (Jessica Schwarz) verliebt und wagt es nun endlich, sich ihr zu nähern – allerdings geht das direkt schief. Dann lernt er die ältere Anna (Marie-Lou Sellem) kennen und die Dinge werden komplizierter. Er hat zum ersten Mal Sex, sammelt Erfahrungen bei seiner Zivildienststelle und zu allem Überfluss ist da irgendetwas zwischen seinem besten Freund Denis (Denis Moschitto) und Luca…
Quelle: https://www.filmstarts.de/kritiken/120704.html

DE · 2001 · Laufzeit 100 Minuten · FSK 12 · Drama, Komödie · Kinostart 15.11.2001

Drehbuch: Hendrik Hölzemann
Regie: Benjamin Quabeck
Produktion: Filmakademie Baden-Würtemberg
Verleih: OttFilm GmbH
Weltvertrieb: OttFilm GmbH

"[acfQuelle: Filmakademie Baden-Würtemberg

Preise

Auswahl

Prädikat: wertvoll

Deutscher Filmpreis ‧ Bester Hauptdarsteller

Bayrischer Filmpreis ‧ Bester Nachwuchsdarsteller

Preis des Verbandes der Deutschen Filmkritik ‧ Bestes Spielfimdebut

Regie-Förderpreis der Hypo-Vereinsbank

 

Kritiken

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spiegel.de

„Nichts bereuen“Die Reifeprüfung

Zärtlich, amüsant und nah am Leben erzählt Benjamin Quabeck in „Nichts bereuen“ von einem liebeskranken Zivildienstleistenden. Sein auf dem Filmfest München preisgekröntes Debüt steht auch für den eigenen Stil vieler anderer neuer Regietalente, die derzeit das deutsche Kino beleben.

OLIVER HÜTTMANN

In jeder Schule gibt es ein Mädchen, in das alle Jungs verliebt sind. Oona-Devi Liebich spielte als „makellose Malen“ ein solches Mädchen in „Crazy“. Elizabeth Shannon füllte als feuchter Traum in „American Pie“ eine ähnliche Rolle aus. Und in „Nichts bereuen“ ist es nun Jessica Schwarz: Ex-Model, Viva-Moderatorin und jetzt auch Schauspielerin.

Doch nicht von den Mädchen erzählen diese Filme, sondern vom hormonellen Drängen jener Jungs zwischen Pubertät und Adoleszenz, einer Phase größter Qual und voller Peinlichkeiten, an die man eigentlich nicht wirklich erinnert werden möchte. Regisseur Benjamin Quabeck, 25, hat dieses in Büchern und im Kino ewige Thema dennoch gewählt für seinen ersten Film, der im Kern autobiografisch und zudem so warmherzig und wahrhaftig gelungen ist, dass er einen hinterher Milde stimmt gegenüber den eigenen Dummheiten der Jugend.

Quabecks Alter ego heißt Daniel (Daniel Brühl). Er ist 19, hat gerade sein Abi gemacht und eine Reise mit seinen besten Freunden hinter sich. Nun ist es Herbst, das wahre Leben liegt vor ihm, die große Liebe scheint unerreichbar und seine Heimatstadt Wuppertal ist zu klein, um beiden aus dem Weg gehen zu können. Denn Daniel muss seinen Zivildienst ableisten, hat sich aber noch nicht um eine Stelle bemüht. Außerdem hat er „noch nie gefickt“, wie er selbstmitleidig in die Kamera spricht, so als stelle er sich bei einer Selbsthilfegruppe vor. Und das nur wegen Luca (Jessica Schwarz), in die er bereits seit vier Jahren verliebt ist, die in ihm aber nur einen guten Freund sieht.

Sein genervter Kumpel Dennis (Denis Moschitto) gibt ihm zwar die üblichen Ratschläge, wie man sich bei Mädchen interessant macht, doch Daniel zögert stets im falschen Moment und vermasselt selbst die besten Chancen. Sein Vater sorgt sich um Daniels Zukunft und besorgt ihm einen Zivi-Job ­ in einer Kirche! Wie ein Mönch weicht er sogar den eindeutigen Avancen von Lucas Schwester aus: Sie liegen bereits im Bett, als ihn sein selbst auferlegtes Gelöbnis zur Enthaltung nackt in die Nacht flüchten lässt und er sich in der Kirche ans Kreuz bindet.

Das klingt absurd und auch albern, doch Quabeck und seine famosen Darsteller meistern mit unaufdringlicher, ungerührter Komik selbst pikante Situationen, in denen Daniel eine Anti-Baby-Pille mit Tequila schluckt oder aus einem Wäschekorb ein Höschen fingert, das dann gar nicht Luca gehört. Ebenso viel Gespür beweist Quabeck aber auch bei der Zärtlichkeit, mit der er auf seine Charaktere blickt, die wie hingetupft erscheinen und doch lebendiger sind als die meisten Figuren des deutschen Kinos seit Jahren. Daniel leidet wie einst Goethes junger Werther. Und eine ebenso amüsante wie herzliche Poesie dazu erzeugt Quabeck mit einfachen Mitteln wie Tempowechsel bei einer wiederholt montierten Sequenz, in der Daniel verträumt Laub zusammenkehrt und sich schließlich seufzend in den Blätterhaufen fallen lässt.

Daniels unerfüllte Liebe ist auch eine Metapher für die Unentschlossenheit an der Schwelle zum Erwachsenwerden, was sich wiederum in Dramaturgie und Optik niederschlägt. Quabeck probiert fast alles aus, was das Kino technisch und visuell hergibt. Er teilt die Leinwand in mehrere Bilder auf, wie man es in den Siebzigern bei Krimis und Katastrophenfilmen machte, wackelt in „Dogma“-Art mit der Kamera, zeigt grell verfremdete Aufnahmen wie in Video-Clips. Was zuerst etwas aufgesetzt und experimentierwütig wirkt, entwickelt sich dann bald zu einem ganz eigenen, ungemein stilsicheren Rhythmus.

Etwa nach der Hälfte des Films setzt Quabeck der Jugend und ihren Möglichkeiten dann das Alter und die wirklichen Probleme entgegen. Daniel kommt bei einem Pflegedienst unter. Er betreut Opa Bröcking, der mit einem Fernrohr den „flotten Käfern“ auf der Straße hinterher späht, eine alte, verwirrte Dame, die unter Inkontinenz leidet, und eine traurige Frau, die von ihrem Ehemann geschlagen wird. Und mit der reifen, zugleich direkten und melancholischen Diakonieschwester Anna (Marie-Lou Sellem) hat er dann endlich auch den ersten Sex.

„Nichts bereuen“ ist ein Jugendfilm, keine Teenie-Komödie, mehr wie „Die Reifeprüfung“ als „American Pie“. Es ist Quabecks Abschlussfilm an der Filmakademie Ludwigsburg. Das Debüt im Kino war im vergangenen Jahr auch Vanessa Jopp mit „Vergiss Amerika“ gelungen, einer atmosphärisch ähnlichen Sinnsuche dreier Jugendlicher. Beide Regisseure stehen ganz vorne in einer Reihe junger Regietalente, die derzeit den deutschen Film beleben. Wer ihnen eine Chance gibt, wird es nicht bereuen.