Nur Gott Kann Mich Richten

Nur Gott Kann Mich Richten

Buch & Regie: Özgür Yildirim / Filmeditor: Sebastian Thümler

Vor fünf Jahren hat Ricky (Moritz Bleibtreu) nach einem missglückten Überfall für seinen Bruder Rafael (Edin Hasanovic) und seinen Kumpel Latif (Kida Khodr Ramadan) den Kopf hingehalten. Jetzt ist er raus aus dem Knast, und Latif möchte sich erkenntlich zeigen: er hat ein scheinbar sicheres Ding in Aussicht. Ricky könnte sich mit dem Geld, das dabei herausspringt, eine neue Existenz aufbauen. Nach anfänglichem Zögern stimmt Ricky zu, aber sobald die Vorbereitungen stehen, beginnen auch schon die Komplikationen. Ricky ist gezwungen, Rafael an Bord zu holen, den er eigentlich nie mehr in Schwierigkeiten bringen wollte, und auch sonst scheint sich die Welt gegen ihn zu verschwören. Vor allem in Form von Diana, einer Polizistin in Geldnot, die plötzlich kriminelle Energie entwickelt, um die Pläne der Jungs auf ganz unvorhergesehene Weise zu durchkreuzen. Ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel setzt ein, das sie alle in den Abgrund zu reißen droht.

Quelle: https://www.constantin-film.de/kino/nur-gott-kann-mich-richten/

DE · 2017 · Laufzeit 100 Minuten · FSK 16 · Thriller, Drama · Kinostart 25.01.2018

Drehbuch & Regie: Özgür Yildirim
Film Editing: Sebastian Thümler
Produktion: Ratpack Filmproduktion
Verleih: Constantin Film Verleih

"[acfQuelle: ©Constantin Film Verleih

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Hessischer Film und Kinopreis 2017 ‧ Bester Spielfilm

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DIE WELT

Tarantino? Machen wir Deutschen selbst. Am besten mit Moritz Bleibtreu. In „Nur Gott kann mich richten“ gibt er einen Ex-Knacki mit Aussteigerträumen. Die müssen finanziert werden – mit viel Blut.
Amerika mag zwar als Land der weltweiten (pop)kulturellen Leitkultur langsam wanken. Aber solange China diese Position nicht übernommen hat, müssen sich die internationalen Kulturprodukte weiterhin an Hollywood oder New York messen. Das ist im deutschen Film nicht anders. In vielen Fällen ziehen die hiesigen Produktionen dabei den Kürzeren.
Das liegt einerseits an den wesentlich kleineren Budgets und andererseits am häufig fehlenden Mut. Letzteres kann man „Nur Gott kann mich richten“ allerdings wirklich nicht vorwerfen. Der Actionthriller mit Moritz Bleibtreu ist so konsequent brutal, dass man sich fast wundern muss, wie der Regisseur und Drehbuchautor Özgür Yildirim das Werk durch die Kontrollen der Filmförderfonds schmuggeln konnte.
Aber Amerika: „Nur Gott kann mich richten“ spielt zwar nicht im Mutterland des Gangsterfilms, gibt sich aber alle Mühe, Frankfurt am Main aussehen zu lassen wie Los Angeles. Die Bankentürme glitzern so weltmännisch im Abendlicht, dass selbst Michael Mann neidisch wäre. In den Autowerkstätten könnten auch Lowrider für Latino-Gangs gebaut werden.
Und dort, also in einer Autowerkstatt, geht es los. In einer schummrig beleuchteten Rückblende erfahren wir, warum Moritz Bleibtreus Ricky im Knast sitzt, in dem wir ihn in den ersten Szenen beten sehen. Fünf Jahre ist es her.
Da läuft etwas schief: Ricky und seine Ganovenkollegen Latif (Kida Khodr Ramadan) und Rafael (Edin Hasanovic) versuchen, einen muskulösen Schurken in dessen Schrauberhöhle zu bestehlen. Der lässt sich das nicht gefallen. Es wird geschossen, die Polizei kommt. Latif macht sich davon, Ricky muss ins Gefängnis, Rafael ins Krankenhaus.
Und rehabilitiert ist Ricky auch nicht wirklich, als er nun, fünf Jahre später, aus der JVA in Frankfurt entlassen wird. Zwar würde er gern aussteigen aus dem thug life, am liebsten eine Kneipe auf der italienischen Insel Caprera eröffnen, aber auch Aussteigerträume müssen finanziert werden.
Paraderolle: Mittelbegabter Ganove

Ricky hat aber nichts auf dieser Welt außer einem befleckten Führungszeugnis und einem dementen Vater (Peter Simonischek), der ihm auch noch Liebe schuldet. Also wendet er sich an seinen Freund Latif aus alten Tagen. Der betreibt inzwischen eine Shisha-Bar, in die keiner kommt. Und ab da geht alles schief.
Seit Bleibtreu 1997 als nicht ganz heller Auftragskiller in „Knockin’ on Heaven’s Door“ gelernt hat, auf D zu schalten, ist der gebürtige Münchner Deutschlands go-to-guy für mittelbegabte Ganoven, die sich in einer Multikultiunterwelt von Frankfurt, Hamburg oder Berlin bewegen. Und das ist ein Kompliment.
In „Lola rennt“ war er der fahrige Hilfsdealer, der von Franka Potente gerettet werden musste. Für Fatih Akins „Soul Kitchen“ spielte er den schmarotzenden Knacki, der eine Scheinanstellung im Restaurant seines Bruders suchte, und in „Zeiten ändern dich“, der verfilmten Biografie des Rappers Bushido, mimte er gleich Arafat Abou-Chaker, einen Spross des berüchtigten Berliner Unterweltclans. Und auch in „Nur Gott kann mich richten“ kauft man dem 46-Jährigen das Halbseidene nur allzu gern ab.
Damit aber auch der große Rest der bundesrepublikanischen Bevölkerung eine Identifikationsfigur hat, bekommt der Film eine zweite Seite: Birgit Minichmayr spielt die Polizistin Diana, die in einem Frankfurter Vorort lebt, seit der Trennung von ihrem Mann von Existenzängsten geplagt wird und deren kleine Tochter ein neues Herz braucht. Letzteres wird auch Diana auf kriminelle Abwege führen.
Denn, und hier knirscht es etwas im Drehbuch, die Ärztin der Tochter steht eines Abends vor ihrer Tür und macht der Polizistin ein unmoralisches Angebot: Für 30.000 Euro würde sie die Werte der Tochter so manipulieren, dass sie auf der Spenderliste nach oben rutscht, und auch noch ein Spenderherz auf dem osteuropäischen Markt besorgen.
Der Marburger Bund dürfte wenig erfreut sein über ein derart zwielichtiges Porträt der medizinischen Zunft. Zwar gab es 2015 einen Spendenskandal, bei dem mehreren deutschen Transplantationszentren vorgeworfen wurde, sie hätten Krankendaten manipuliert, um bestimmten Patienten einen besseren Platz auf den Spenderlisten zu verschaffen. Aber es gibt Minichmayr natürlich die notwendige Motivation zu tun, was sie im Laufe des Films bereit ist zu tun.
Denn natürlich kreuzen sich die Wege von Diana und Ricky. Das letzte Ding wird zu einem blutigen Durcheinander, bei dem keiner was gewinnt. Als Ortsfremder muss man feststellen: Frankfurt ist so Gangster, dass selbst in den Vororten keiner aufwacht, wenn Ricky in der Nacht das Magazin seiner AK 47 vor einem Einfamilienhaus entleert. Selbst in Compton hätten die Nachbarn da vorsichtig ihre Gardinen gehoben.
Für den Soundtrack sorgt Rapper Xatar, der 2011 für den Überfall auf einen Geldtransporter zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Und weil er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde, bekam er auch eine winzige Nebenrolle in dem Film. Im Abspann taucht er unter der Beschreibung „Kurde 1“ auf. Sein Kollege SSIO ist „Kurde 2“.
Dann kommt der Moment, der einen fassungslos in den Kinosessel sinken lässt: „Das ist jetzt nicht wirklich passiert, oder?“ Fast am Ende, einem sehr blutigen Ende, überschreitet der Film eine Linie, die selbst im Post-Tarantino-Zeitalter nur selten überschritten wird. Wie, können wir leider nicht verraten. Aber seien Sie sicher, dass Sie, wenn es passiert, wissen, was gemeint ist. Dann sind Sie bis auf die Knochen überzeugt, dass sich Verbrechen nicht lohnt.