„“Nur ein Augenblick“ – ein Film über den syrischen Bürgerkrieg

 

Der Film beginnt mit einer Szene in Syrien 2011. Clubbesucher singen von Freiheit, dem Ende der Diktatur. Was folgt, ist historisch bekannt: ein erbitterter Bürgerkrieg. Regisseurin Randa Chahoud erzählt in ihrem Film von zwei Brüdern, deren Traum von Veränderung in einem Strudel von Gewalt fortgerissen wird. „Es war eigentlich schlimm, weil es plötzlich ein Gefühl gab von Aufbruch und auch ein Gefühl von: Jetzt gibt es eine Tür, die aufgeht, und die Menschen werden frei sein, diese Unterdrückung ist zu Ende“, sagt Regisseurin Randa Chahoud. „Und dann stürzte durch den Bürgerkrieg alles in ein viel schrecklicheres Loch.“

Randa Chahoud lebt im anhaltischen Halberstadt. Geflüchtete Syrer gibt es hier etliche: Im Aufnahmelager, in der Nachbarschaft, in der Klasse ihrer Tochter. Einen Film zu machen, der vor dem Hintergrund des syrischen Bürgerkriegs spielt, war für sie eine Herzensangelegenheit.

„Das Thema Gewalt in uns ist etwas, was mich interessiert“

Im Konflikt: Zurück in Syrien dauert es nicht lange und der Bürgerkrieg bringt Karim (Mehdi Meskar) dazu, zur Waffe zu greifen.  | Bild: Sören Schulz / Farbfilm Verleih

Karim ist vor Assads Geheimdienst nach Deutschland geflohen und studiert. Er hat eine schwangere Freundin und Freunde. Er sieht seine Zukunft in Deutschland. Doch dann erfährt er, dass sein Bruder in Syrien in Gefangenschaft von Assads Truppen ist. Er will sich auf die Suche nach ihm machen, mitten im Bürgerkrieg mit seiner Brutalität, von der er keine Vorstellung hat. „Also zum einen ist das Thema Gewalt in uns etwas, was mich schon immer interessiert“, sagt Regisseurin Chahoud. „Die Bereitschaft, die wir alle in uns haben unter bestimmten Umständen hineinzuschliddern in eine Situation der Gewalt, in der wir vielleicht Dinge tun, von denen wir nie gedacht hätten, dass wir sie tun. Und zum anderen ist mein Vater Syrer und ich habe dadurch auch persönlich relativ viel mit dem Thema zu tun gehabt und auch Kontakt zu vielen Syrern.“

Ibrahim Chahoud kam als Wissenschaftler Anfang der 70er nach Europa und heiratete eine deutsche Politikwissenschaftlerin. Der Esstisch der Familie ist bis heute ein Austragungsort lebhafter politischer Debatten auch über Syrien. Schließlich, so Ibrahim, sei „Essen ist ja nicht Ernährung für uns, sondern ein Mittel um ins Gespräch zu kommen“. An dem Esstisch in Berlin trafen sich Familie, Freunde, syrische Oppositionelle, ehemalige Häftlinge. Auch seine Tochter erinnert sich: „Ja, an diesem Tisch wurde gestritten, gelacht, diskutiert – bis in die Nacht.“

Zwischen Macht und Ohnmacht – nur ein Augenblick entscheidet

Mit dem Hintergrund dieser Diskussionen und den Berichten Geflüchteter, schrieb Randa Chahoud das Drehbuch für ihren Film. Auf der Suche nach seinem Bruder in Syrien gerät Karim, der Student, in eine Einheit der Freien Syrischen Armee. Er will etwas tun, gegen die eigene Ohnmacht, gegen das Hinnehmen-Müssen, gegen Assad. Doch wann lassen einen die Umstände selbst zum Gewalttäter werden?

„Das sind Zusammenhänge, die ich eigentlich schrecklich finde, jemanden erschießen … Man darf niemals jemanden erschießen, aus welchem Grund auch immer“, sagt Chahoud. „Und plötzlich erfährst du etwas, wo du denkst, das ist gar nicht so einfach zu entscheiden.“

Lilly und Max suchen nach einem Lebenszeichen ihres Freundes Karim in Syrien. Viele Darsteller im Film sind selbst Geflüchtete und waren vor kurzem noch im Krieg. Sie spielen sich größtenteils selbst, alles sollte so authentisch wirken wie nur möglich. „Es gibt eine Szene im Gefängnis, die wurde ganz leise geflüstert, die musste man komplett neu synchronisieren“, erzählt Chahoud. „Und der Darsteller, der diese Rolle gespielt hat, der hat beim Synchronisieren wirklich nach drei Malen gesagt: ‚Ich kann das nicht noch einmal machen, das nimmt mich emotional so mit, weil ich selbst im Gefängnis war und so viele Freunde von mir im Moment noch dort sind. Ich schaff das nicht.‘ Das haben wir natürlich respektiert und abgebrochen.“

Ein wichtiger Film vor dem Hintergrund des Koblenzer Prozesses

Zurück in Deutschland erfährt Karim von einem Arzt, dass der Mörder seines Bruders inzwischen ebenfalls in Deutschland lebt. Ein unerträglicher Moment für ihn. Dem Film ist anzumerken, mit welcher Dringlichkeit er sein Thema verhandelt – und doch wirkt die Geschichte bisweilen überfrachtet.

Dass nun ein Prozess gegen Assads Folterer geführt wird, ist für viele Syrer, so Randa Chahoud, äußerst wichtig: „Es wird ein Tag kommen, an dem es für das Land wieder einen Lichtschimmer gibt. Und bis dahin halten sie sich dann auch an solchen Situationen fest – aber immerhin wird in Koblenz ein gerechter Prozess geführt.“

(Quelle: daserste.de ; Autor: Dennis Wagner)

 

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